St. Michael ob Rauchenödt: Kraftplatz wird zum Begegnungsort
Weithin sichtbar auf 910 Meter Seehöhe, umgeben von Wiesen, Feldern und Wäldern und mit einer Aussicht bis zum Dachstein und zum Watzmann steht die Filialkirche St. Michael ob Rauchenödt. Sie befindet sich nahe der Wasserscheide der beiden Flusssysteme von Donau und Moldau/Elbe und ist als Kraftort bekannt. Das ganze Jahr über kommen Wanderer, Ausflügler, Sportler:innen, Pilger:innen, Wallfahrer:innen und Kunstinteressierte, um in der Kirche zu verweilen, zu beten oder die Aussicht zu genießen. 8.000 Opferkerzen im Jahr sprechen für das spirituelle Bedürfnis der Besucher:innen, die Einträge im Anliegenbuch erzählen von ihren Gedanken und Sorgen. Diese Wahrnehmung war im Jahr 2021 die Initialzündung für die Idee, im ehemaligen Mesnerhaus einen BegegnungsRaum und in weiterer Folge einen spirituellen Wanderweg zu schaffen.
Bischof Manfred Scheuer segnete das Mesnerhaus © Pfarre Grünbach
„Wir wollten die Seelsorge dorthin bringen, wo die Menschen schon sind“, erklärt Peter Keplinger, Pfarrassistent der Pfarre Grünbach die Idee: „Wir sehen es als unsere pastorale Aufgabe, den Menschen entgegenzukommen, sie in ihrer Suche nach Sinn und der eigenen Spiritualität zu unterstützen, sie zu bestärken, wieder Vertrauen in das Leben zu gewinnen.“
Bischof Scheuer: „Die Seele braucht Begegnung“
Auch Bischof Manfred Scheuer betonte in seiner Ansprache die Bedeutung von Begegnung und Beziehung. „Die Seele braucht Freundschaft und Begegnung. Freundschaft mit Menschen, Freundschaft mit Gott, Erfahrungen von Güte. Freundschaft will gepflegt werden, wie eine Kunst kultiviert, mit Liebe zum Detail und Freude am Gegenüber.“ Die Seele brauche aber auch Ruhe: „Sie muss zur Ruhe kommen können, braucht Zeiten der Stille, braucht Freiräume, in denen wir uns nicht gehetzt und gedrängt fühlen, unter Druck und Zwang.“ Eine positive Kultur der Einsamkeit sei Voraussetzung für jede schöpferische, geistige und geistliche Tätigkeit. „Es gibt keine freie Gesellschaft ohne Stille, ohne einen inneren und äußeren Bereich der Einsamkeit, in dem sich Freiheit entfalten kann. Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn unsere Seele aus dem letzten Loch pfeift, wenn wir ihr nie Aufmerksamkeit schenken. Gebet ist das Atemholen für die Seele, Gebet ist Nahrung für die Seele“, so der Bischof.
Gottesdienst mit Bischof Manfred Scheuer in der Filialkirche St. Michael © Pfarre Grünbach
Bezugnehmend auf den geplanten Pilgerweg sprach Bischof Scheuer auch über das Gehen, das zum Bild der inneren Befindlichkeit und auch zum Symbol der Beziehungen werde: „Menschen gehen aneinander vorbei oder wieder aufeinander zu.“ Gehen wirke Persönlichkeit bildend, Gemeinschaft stiftend, Freundschaft stiftend. Gehen bedeute auch, eine Reise nach innen anzutreten, die Dag Hammarskjöld die längste Reise nannte.
Beim Gehen sei auch eine spirituelle Dimension präsent. „Das Gehen ist eine Schule der Sehnsucht, mich nicht mit zu wenig zufrieden zu geben, die Ziele meines Lebens nicht zu niedrig anzusetzen und diese Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.“
Raum der Begegnung
Für das Projekt BegegnungsRaum St. Michael steht der heilige Michael Pate. Nach der Außensanierung der Filialkirche im Jahr 2024 startete im heurigen Frühling die Generalsanierung des denkmalgeschützten Mesnerhauses, das zuvor 30 Jahre lang leer stand. „Die zentrale Stelle im Haus ist die Stube“, sagt Keplinger. Diese wurde in den vergangenen Monaten zum BegegnungsRaum ausgebaut, wo Besucher:innen aus nah und fern an zunächst einem Tag in der Woche mit Seelsorger:innen ins Gespräch kommen können. Zudem kann der Raum auch für Klausuren, Einkehrtage sowie Besinnungstage oder Veranstaltungen gebucht werden.
Der Bischof segnete den BegegnungsRaum im neu renovierten Mesnerhaus. © Pfarre Grünbach
Im benachbarten Pilgerraum finden Pilger:innen künftig Rast und Stärkung. Dort liegen auch spirituelle Impulse, Texte und Informationsmaterialien zum Pilgern auf.
Pilgerweg verbindet gotische Flügelaltar-Kirchen
Im September 2022 startete die Umsetzung des spirituellen Pilgerweges. Die „Via Anima“, der rund 60 Kilometer lange Rundweg durch die zukünftige Pfarre Freistadt, soll im Frühling 2026 markiert und offiziell eröffnet werden. Er verbindet die drei Kirchen mit den gotischen Flügelaltären St. Michael, Kefermarkt und Waldburg. Offizieller Ausgangspunkt ist die Filialkirche St. Michael ob Rauchenödt. Der Weg soll einerseits die Tradition dieser drei Orte als Wallfahrtsstätten wieder beleben bzw. deren spirituellen und kulturellen Schätze erschließen.
Andererseits soll er dem Bedürfnis der Menschen nach Sinnsuche und Sinnfindung entgegenkommen. „Besonders ansprechen möchten wir die Menschen aus unserer künftigen Pfarre und der Region: Pilgern im Sinne von Kraft tanken, Orientierung finden, der Sehnsucht auf der Spur sein ist auch im eigenen Umkreis möglich. „Da, wo ich lebe, ist heiliger Boden“, sagt Ulrike Lengauer, die Dekanatsassistentin in Freistadt. „Der spirituelle Wanderweg und die Angebote im BegegnungsRaum sollen somit auch als verbindendes Element der neuen Pfarre erfahren werden.“
Alleinstellungsmerkmal: Pilgerweg mit Seelsorge
„Das seelsorgliche Angebot mit dem Pilgern zu verknüpfen ist unser Alleinstellungsmerkmal“, sagt Keplinger: „Pilger können künftig beim Ankommen oder Weggehen ein Gespräch mit einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin buchen.“ Ein fixer Tag pro Woche solle dafür reserviert werden. Aktuell ist man beim Aufbau eines Seelsorge-Teams. „Es ist ein Pilgerweg mit Seelsorge, wie der Name Via Anima, Der Weg – die Seele, schon sagt.“